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Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 29.07.2006

Diva im Land ohne König

Thomas Bäppler lehrt seine Schüler das Tanzen und als Bäppi La Belle seine Zuschauer das Lachen
VON STEPHAN LOICHINGER

Er steht vom Schreibtisch auf, sagt „Guten Tag" und zwinkert mit dem rechten Auge. Er zieht das weiße Hemd mit schwarzen Streifen über seinem Bauch straff, schiebt es sich in die weiße Hose und bittet zur „Schlossführung". Vorbei geht es im Flur an Bildern, die der Hausherr selbst gemalt hat, Farbfelder und Herzen, die die Jahreszeiten symbolisieren sollen. Das Gebäude im Nordend ist, namentlich in den großen Sälen und ab kommende Woche auch in den Verwaltungsräumen, zum Glück klimaanlagengekühlt. Der hintere Saal im zweiten Stock kündet mit Wolkenkratzerfotos, Neonreklamen und der Wandvertäfelung im Stil einer Skyline-Silhouette vom fernen Glanz des New Yorker Broadways. Von der Kopfseite des kleineren, wie die übrigen an den Wänden mit Spiegeln verkleideten Raums grüßt ein so märchenhaftes wie realistisches Porträt des verstorbenen Münchener Monarchen Rudolph Moshammer nebst Mutter Else, ersteigert bei Ebay. Ein Stockwerk tiefer ist der ausladendste Saal von allen auf eine Bühne ausgerichtet, die sich hinter einem schweren roten Vorhang verbirgt. Wochentags wird hier getanzt, wochenends Aufführungen anderer Art beigewohnt.
Thomas Bäppler ist derweil, vorbei an einer kleinen Präsentation von Kostümen aus den Musicals „Das Phantom der Oper" und „Sunset Boulevard", in seine Garderobe gehuscht, denn in einem Land ohne König hat er sich entschieden, eine Diva zu sein, zeitweise zumindest. Oder Kanzlerin. „Angela, du goldisch Maus!" heißt das Programm, das Thomas Bäppler als Bäppi La Belle im beständig ausverkauften Tits-Theater in der Tanzschule Bäppler seit Monaten zeigt und wegen der großen Nachfrage bis Ostern 2007 zeigen wird. Wem das jetzt zu schnell ging: Tanzlehrer Thomas Bäpplers Show-Ego heißt Bäppi La Belle, und jeden Freitag und Samstagabend wird die Tanzschule zum Theater in der Tanzschule (Tits).

Als Kind hat er das Tanzen gehasst

Auf die Frage, woher bei ihm die Lust auf die Travestie komme, antwortet Thomas Bäppler: „Ganz klassisch aus'm Fasching, vom unvermeidlichen Männerballett. Schon in der Schule war ich immer der Aff'. Ich hab' gern zu Playback Heino imitiert. Meine erste Travestie, also außer Heino, war im Fasching Liza Minelli. Da hab' ich mit Strapsen und Melone 'Life is a cabaret' gesungen, klassisch."
Ebenso klassisch, um nicht klischeehaft zu schreiben, mutet sein Entschluss nach der Mittleren Reife an, sich zum Tanzlehrer ausbilden zu lassen. Ausgerechnet Bäppler, der sagt, er habe „als Kind Tanzen gehasst". Seine Mutter habe ihn samstagabends nur länger aufbleiben lassen, wenn es „Rumgehopse im Fernseher" zu sehen gab. Er hat sich das angeschaut, um noch nicht ins Bett gehen zu müssen, und hat „gekotzt". In der Schule machten alle einen Tanzkurs, nur einer nicht: Thomas Bäppler, den sie schon damals Bäppi riefen. Einer nahm ihn dann mal mit in die altehrwürdige Tanzschule Kiel-Blell in der Kaiserstraße, nur zum Gucken, und Bäppler fand das „gar net so übel". Er war dann grade im besten Teenager-Alter, 15 oder 16, als „Saturday Night Fever" ins Kino kam und in der Folge auch ihn das Tanzfieber packte. „Das war was Neues, Travolta, seine Bewegungen, einfach toll. Dazu die Bee Gees, die Discokugeln..." Sie werden Thomas Bäpplers braun-grünen Augen zusätzlichen Glanz verliehen haben.
Er entdeckte also die Schönheit an der Bewegung zu zweit. Bis dahin hatte Bäppler für solcherlei nicht viel übrig. Sein Sportlehrer nannte ihn „steifer Bock", im Unterricht strengte er sich ein einziges Mal an. 2000 Kinder mit guten Noten in Sport sollten bei der WM 1974 vor dem Eröffnungsspiel das WM-Logo darstellen, und tatsächlich schaffte es Bäppi, zu der Zeit noch Fußballfan, hoch auf die Stange und auf den Rasen des Waldstadions.
Bei Kiel-Blell arbeitete er als Tanzlehrer, bis es ihm dort zu konservativ wurde. „Meine Homosexualität war ein Problem, man konnte da auch keine neuen Ideen verwirklichen." Und so machte er 1990 seine eigene Tanzschule auf, die Tanzschule Bäppler, wo es nach Aussage des Chefs bundesweit erstmals schwul-lesbische Tanzkurse gab und dann nur noch gemischte, denn hier soll niemand seine Neigungen verstecken müssen. Dass er schwul sei, habe seinem Geschäft niemals geschadet. Manchmal wandten sich Mütter an ihn, die nicht wussten, wie sie mit ihren schwulen Söhnen umgehen sollten. Rat weiß Bäppler als Vizepräsident des Tanzlehrerverbands auch verunsicherten Kollegen zu geben: „Klassische Tänze kommen wieder in Mode. Man braucht das in Jobs, in denen auf Etikette geachtet wird. Hip-Hop-Tänze, wie man sie aus Videoclips kennt, sind nur ein Trend, aber Walzer und Cha-Cha-Cha sind immer da."
Die Eröffnung der Tanzschule Bäppler machte die Bühne frei für Bäppi La Belle. Nach Auftritten in Frauenkleidern auf Geburtstagsfeiern und dem Danke-schön-Fest für die Helfer beim Aufbau seiner Tanzschule forderten ihn Freunde auf, weiterzumachen, regelmäßig. Bäppi benannte sich nach Patti LaBelle und studierte Gags und Lieder ein, zuerst zu Playback, seit „This is my live" singt er selbst. Acht Shows hat er schon aufgeführt, an der neuesten Produktion, „Samstags gibt's dick' Supp", die im Herbst 2007 Premiere haben soll, arbeitet er gerade.
Als Vorbilder zählt Bäppler neben Joan Collins, Michel Serrault aus „Ein Käfig voller Narren", Louis de Funes und Jerry Lewis Mary auf, „klar". „Aber ich mach' nicht sexy Travestie wie sie", sagt er. „Ich hab' nicht den Körper und keine 30 000-Dollar-Kleidchen. Bei mir ist es eher Comedy." Das „Angela" -Programm trägt den Untertitel „The Very Crazy Travedy". Er glaubt, „Uralt-Schweinerei-Travestie interessiert keinen mehr, das kennt doch jeder schon". Er macht uns also nicht die Minelli oder die Baker, sondern die Merkel - und das auf Hessisch. Darin liege der besondere Reiz, meint er.
Thomas Bäppler sagt, er finde eigentlich nur Johannes Scherer und Kaya Yanar lustig, und: „Ich weiß nicht, ob ich über mich selbst lachen könnte." Natürlich ist das kokett von einem, der im Gespräch gern ein paar Szenen aus seiner Show zum Besten gibt und immer mal wieder einen Witz bringt und überhaupt gern lustig erzählt („Nach Weihnachten pass' ich nicht mehr in die Kleider, wenn die Show wieder beginnt. Eine Horrorzeit." -„Und wenn Sie weniger essen würden?" - „Aber wenn's doch schmeckt.") Vielleicht will er auch nur sehen, ob der andere lacht.

Sein Freund ist der Ernstere von beiden

Auf jeden Fall erzählt Thomas Bäppler, dass sein Freund, mit dem er seit sieben Jahren zusammen ist und mit dem er im Nordend wohnt, „der Ernstere" ist. Man merkt das augenblicklich, er teilt mit seinem Schatz nämlich den Arbeitsplatz. Sein Freund ist auch Tanzlehrer und mit seiner drahtigen Figur schon äußerlich sehr verschieden von Bäppler, dessen Statur eher barock ausfällt und den er schon mal „Dicki" nennt. Ja, dieser Bauch. Bäppler sagt, er „wiege nicht mehr, sondern messe nur noch". „Drei Zentimeter weniger"; seit er die „Schlank im Schlaf"-Diät versuche. So schlimm ist sein Bauch ja gar nicht. „Ja, oder? So seh' ich als Merkel auch viel glaubwürdiger aus." Er sagt auch, er habe viele Diäten versucht und wolle sich nun mit 45 nicht mehr fertig machen deswegen.
Lieber schmiedet Thomas Bäppler neue Pläne. Er will parallel zum Ironman einen „Tunten-Triathlon" veranstalten. Zwei Disziplinen weiß er schon, 100-Meter-Lauf auf Stöckelschuhen und Handtaschenweitwurf, für die dritte ist er für Ideen offen. Was er auf jeden Fall machen will, ist eine Bäppi-La-Belle-Schlössertour durch die Königsschlösser in Oberbayern. „Ludwig II. und Helmut Berger, der ihn im Visconti-Film gespielt hat, sind wahrscheinlich schuld daran, dass ich schwul bin." Er zwinkert.

Übrigens...
Wieso sind Sie nie aus Frankfurt weg?
Ich weiß nicht, hier ist einfach mein Nest. Wenn ich aus dem Urlaub komme, freue ich mich immer, die Hochhäuser zu sehen.
Was mögen Sie so gern hier?
Die Fleischwurscht, den Äppler und die Petra (OB Roth, d. Red.).
Ist Petra Roth eine Schwulen-Ikone?
Sie ist auf dem Weg dahin. Vom Typ her würde sie passen. Sie stellt eine Persönlichkeit dar und ist in der Szene beliebt.

PORTRÄT
• Thomas Bäppler kam am 24. Dezember 1961 in Griesheim auf die Welt. Sein Vater 1991 gestorben, war Tonmesstechniker beim HR, seine Mutter, 83, Hausfrau. Er hat eine zehn Jahre ältere Schwester.
• Schon als Kind bemerkte er seine homosexuelle Veranlagung und seinen Hang zum Komödiantischen. Auf der Georg-August-Zinn-Gesamtschule war er „der Aff'" und zwei Jahre lang Schulsprecher. 1990 machte Bäppler seine eigene Tanzschule auf, www.tanzschule-baeppler.de.
• Bäppi La Belle erblickte das Licht der Showbühne Anfang der 90er Jahre. Sie moderiert die schwul-lesbischen Fastnachtssitzungen und tritt in ihrem eigenen Theater (Tits) auf. Derzeit zeigt sie dort die Angela-Merkel-Parodie „Angela, du goldisch Maus!", Kartentelefon 593701. Informationen unter www.baeppi.de.
• Auf dem Christopher Street Day gehört Bäppi La Belle zum Inventar. Sie moderiertam Sonntag von 15 bis 22 Uhr auf der Bühne auf der Konstablerwache. Loi

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