Falls Sie links kein Menue sehen, geht es hier zur Startseite von FRANKFURT-NORDEND.DE

Aus : „Der Eschenheimer Turm - Ein Wahrzeichen Frankfurts“ von Ruth Schwarz, 2001

Rund um den alten Gesellen

... Auf dem Rundweg kommen wir nun zum nördlichen Teil des Platzes um den Eschenheimer Turm. Hier beginnt auf alten, schon seit Jahrhunderten benutzten Wegen die nach dem Dorf Eschersheim führende Eschersheimer Landstraße. Mit leichtem Knick nach Nord-Osten führt der Oederweg zum heutigen Holzhausen-Schlösschen, früher die "Holzhausen Oed genannt."
Wie bereits geschildert, sollten die alten Wälle nach Abbau und Schleifung der nicht mehr zeitgemäßen Bastionen ab dem 18. Jahrhundert in einen Grüngürtel um Frankfurt umgewandelt werden, was mit erheblichen Kosten verbunden war. Viele Jahre mußten vergehen, bis der Anlagenring fertiggestellt und Bäume, Sträucher und Blumen angewachsen waren. Nur zögernd begannen die Bürger, sich jenseits des schützenden Grüngürtels in der damals noch nicht so breiten Eschersheimer Landstraße und im Oederweg anzusiedeln, denn inzwischen war der Platz zum Wohnen in der Innenstadt eng geworden. So entstanden schnell neue Wohngebiete außerhalb des Grüngürtels. Schon bald wurde erkennbar, daß am Eschenheimer Turm einer der großen und wichtigen Verkehrsknotenpunkte der Stadt entstehen würde. Auf der östlichen Seite des Eschenheimer-Tor-Platzes standen noch die Pferdedroschken vor den großen Platanen, von denen bis heute noch zwei erhalten sind. Die erkennbar gekleideten Kutscher waren in glanzrote Westen gehüllt und trugen steifgelackte schwarze Hüte mit Regenrinne.
Mit Umstellung der Pferdebahnen auf die elektrifizierte Straßenbahn wurden durch die Mitte des Platzes nördlich des Turmes die notwendigen Schienen verlegt. Seitwärts zur Bockenheimer Anlage hin befand sich noch bis zum Jahre 1908 die Abfahrtstelle der Dampf-Straßenbahn der Frankfurter Lokalbahn A.G. Sie fuhr dampfausstoßend entlang der Eschersheimer Landstraße bis nach Eschersheim, vorbei am 1888 erbauten Hoch'schen Konservatorium (Haus Nr. 4), wo zuvor schon ein im spätklassizistischen Stil erbautes Wohnhaus gestanden hatte, welches abgerissen werden mußte. Das Konservatorium ist eine bis heute wirkende Stiftung zur Förderung der Musik von Dr. Joseph Hoch, einem hochherzigen Frankfurter. Anfänglich wurde eine solche Bahn mit den etwas längeren Strecken wie nach Eschersheim und nach Offenbach "Knochemühl" genannt, denn die Fahrgäste wurden auf diesen Wegen ganz schön durchgeschüttelt. Die Federungen bzw. Stoßdämpfer für die Wagen waren noch entwicklungsbedürftig. Ab 1910 wurde die Abfahrtstelle zum Taunus, inzwischen die Linien 24 und 25, an das Schauspielhaus verlegt.

Zwischen Eschersheimer Landstraße und dem Oederweg entstand das Volksbildungsheim. Es wurde am 1. Februar 1908 als Geschäftsshaus des "Kaufmännischen Vereins" eröffnet. Das stattliche Gebäude wurde aus rotem Sandstein mit Motiven aus Neobarock und Jugendstil erbaut. Leider hat man nach der Zerstörung durch Kriegseinwirkungen den schönen bekrönenden Giebel und das Mansarddach nicht wieder hergestellt. Bereits vor dem ersten Weltkrieg hatte sich der "Kaufmännische Verein" aufgelöst. Die Stadt Frankfurt übernahm das Gebäude am Eschenheimer Turm. 1952 kaufte die Saalbau AG das Volksbildungsheim. Hier konnte sich der wieder gegründete Bund für Volksbildung mit seinen vielseitigen Aufgaben etablieren: Volkshochschule, Volksbücherei, Volkstheater und auch ein Saal für die Konzerte der Kunstgemeinde war vorhanden. Besondere Verdienste erwarben sich das Ehepaar Else und Wilhelm Epstein, die hier im Volksbildungsheim maßgeblich dazu beigetragen haben, die Erwachsenenbildung in Frankfurt zu ermöglichen. Wilhelm Epstein galt als strenger Verfechter politischer Neutralität in der Volksbildung, was in der NS-Zeit zu Problemen führen mußte. Im Treppenhaus des Volksbildungshelmes erinnert ein Bronzerellef, gestaltet von Knud Knudsen, an das Wirken des Ehepaares. Nach dem Umbau, wobei das Gebäude völlig entkernt wurde, hat das Relief seinen neuen Platz in der Volkshochschule Galluspark gefunden.
Seit seinem Bestehen hat das Haus eine besondere Bedeutung für die Frankfurter Bürgerschaft. Bereits nach der Eröffnung im Jahre 1908 hatte sich das Gebäude schnell zum "Hort echter Volksbildung" entwickelt, es wurde auch "eine Burg des Geistes im Herzen der Stadt" genannt. Im wiederaufgebauten Volksbildungsheim waren ab 1953 verschiedene kulturelle Einrichtungen untergebracht. Gleich nach Eröffnung fand die erste Aufführung der neu gegründeten Landesbühne Rhein-Main unter Mitwirkung des Gründungsmitgliedes Liesel Christ statt. Das "Theater am Turm" (TAT), im Jahre 1963 eröffnet, wird zur Spielstätte für avantgardistisches Theater unter der Intendanz von Felix Müller. Ab 1966 wirken Regisseur Claus Peymann und Dramaturg Wolfgang Wiens im "Theater am Turm". Beide waren später am "Burg-Theater" in Wien. Im Jahre 1969 wird Conny Reinhold, der bekannte Kabarettist vom Resistenztheater "Die Meininger", Direktor der Volksbühne (FBfV), der u.a. die schnell beliebt gewordene Theater- und Kulturzeitung "Akt" herausbringt. Leider ist Conny Reinhold im Oktober 1974 mit 43 Jahren verstorben, ein engagierter Vollblutkabarettist, dessen Bedeutung noch heute unterschätzt wird. In der Spielzeit 1974/75 hat dann Rainer Werner Fassbinder im TAT vier Stücke inszeniert. Außerdem fand die erste Vorstellung des "Frankfurter Volkstheaters", von Liesel Christ geleitet, am 18. Juni 1971 im Volksbildungsheim statt. Erst 1975 hat dieses Theater nach stürmischer Odyssee seine endgültige Bleibe im Großen Hirschgraben gefunden.
Bei all den Möglichkeiten zur Fortbildung durfte auch das Vergnügen in dem Hause des Bürgers nicht zu kurz kommen. Da ein großer Festsaal mit Bühne (1.400 Personen) sowie ein kleiner Saal (300 Personen) vorhanden waren, fanden dort zur Fastnachtszeit herrliche Maskenbälle für Erwachsene und Kinder statt, und alle konnten durch das ganze Haus toben. Bereits vor dem letzten Krieg veranstaltete der Karnevalverein "1911er" seine Sitzungen im Volksbildungsheim. Das erste Faschingstreiben nach dem Krieg wurde am 20. Januar 1946 in den Trümmern des Volksbildungsheimes, d.h. im Keller, dem sogenannten "Dachsbau", abgehalten. Nach dem Wiederaufbau fanden dann Maskenbälle und die beliebten "Ebbelwei"-Sitzungen in den neu erstandenen Sälen statt. Unvergessen bleibt der Sitzungspräsident des Carnevalclubs "Laternche", Hans Weidenfeld, der über 30 Jahre die Veranstaltungen mit Spritzigkeit und farbiger Dramaturgie leitete. Für die Gastronomie bei allen Veranstaltungen war der "Dippegucker"-Wirt Willy Berger mit seiner Frau Anette zuständig. Im Jahre 1969 hatten sie mit viel Engagement die Gaststätte Weil im Erdgeschoß des Volksbildungsheimes übernommen. Das Lokal wurde recht bald zu einem beliebten und viel besuchten Eßlokal. Eine interessante Idee war es, während der Fastnachtskampagnen, die jeweils unter einem speziellen Motto standen, die entsprechenden Gerichte anzubieten. Beispielsweise beim Jazz-Fasching Speisen aus der typischen Kreolischen Küche bis hin zum Frankfurter Rippchen mit Kraut bei den "Ebbelwei"-Sitzungen. Im Erdgeschoß gab es außerdem noch die gemütliche "Kutscherkneipe", die für die endlos Durstigen bis zum nächsten Morgen geöffnet hatte.
Das Volksbildungsheim, ein großartiges Haus mit seinen vielseitigen Einrichtungen, fällt leider dieser Tage unserer schnellebigen Zeit zum Opfer. Das Gebäude gilt als bautechnisch überholt und soll auf den neuesten Stand gebracht werden, indem es völlig entkernt wird und nur die denkmalgeschützte Fassade bestehen bleibt. Die neuen Besitzer planen hier einen Premieren-Filmpalast "Metropolis", mit 12 Kinosälen und ca. 3.300 Sitzplätzen zu eröffnen.

Wir überqueren den Oederweg, die Eschenheimer Anlage und kommen zu den Wallanlagen an der östlichen Seite des Eschenheimer-Tor-Platzes. Hier steht einige Meter in die Anlagen hineingesetzt, das Philipp-Reis-Denkmal. Dieser Standort ist vielleicht deshalb gewählt worden, weil Philipp Reis seine Vorträge über die Entwicklung des Telefons im Physikalischen Verein am Eschenheimer Turm gehalten hat. Dahinter führt eine kleine Treppe zu dem etwas versteckt liegenden und heute leider vernachlässigten Bürgergarten. Dieser Tiefgarten - auf der Ebene des "nassen Grabens" - wurde Ende 1982 eröffnet. Seine Gestaltung spiegelt die Atmosphäre bürgerlicher Frankfurter Wallgärten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wieder.
Seitlich des Eschenheimer-Tor-Platzes entstand in architektonisch-ästhetischer Nachbarschaft zum alten Wach- und Wehrturm das Bayer-Haus mit seinem interessanten überstehenden Pultdach. Hier stehen sich ein sehr alter und ein moderner Zweckbau gegenüber. Das von den Farbenfabriken Bayer-Leverkusen errichtete Haus wurde 1952 als einer der ersten großen Verwaltungsbauten der 50er Jahre in Frankfurt eröffnet. Eine ausgefallene Idee war es, im achtgeschossigen Haus einen Paternoster (Aufzug mit offenen Kabinen) einzubauen, der noch heute funktioniert und gerne benutzt wird. Im 7. OG. des Gebäudes gab es bis 1995 einen Speisesaal mit großen Fenstern und dem passenden Namen "Luginsland".
Von dort geht der Blick auf den zum Greifen nahen Turm und zwei weitere in dieser Zeit entstandene Verwaltungsbauten: das von der Oberpostdirektion erstellte 75 m hohe Fernmeldehochhaus und das 1955/56 erbaute Gebäude der "Landwirtschaftlichen Rentenbank" in der Hochstraße Nr. 2, welche miteinander korrespondieren. Zu dieser Gruppe der Verwaltungsbauten/Bürohäuser gesellte sich in der Bleichstraße Nr. 64-66 im Jahre 1974 das Young & Rubicam Hochhaus (Höhe 70 m), welches inzwischen saniert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht wurde. Eine besondere architektonische Leistung ist, daß der klassischen Konstruktion im Stahlbeton-Skelettbau eine Glas-Aluminium-Fassade vorgehängt wurde. Das so neu gestaltete "Hochhaus am Turrn" ist in seiner endgültigen Ausführung ein herausragendes Objekt. Hier muß festgehalten werden, daß diese Gebäude um den Eschenheimer Turm, einschließlich dem 1961 fertiggestellten Zürich Hochhaus (67m), die Anfänge der "Frankfurter Silhouette" dokumentieren.
Mit der Bleichstraße sind wir nun am Ende des Rundganges um den Eschenheimer Turm angelangt. Die Frage, wie der Eschenheimer Turm zum Wahrzeichen der Stadt werden konnte, ist nur so zu beantworten, daß es dafür viele Gründe gibt: Erstens besitzt der Eschenheimer Turm eine in Jahrhunderten gewachsene Umgebung, zweitens ist er heute noch mehr als früher ein Verkehrsknotenpunkt und viele Straßen führen seit alter Zeit zum Turm hin. Außerdem waren um den Turm herum Gebäude entstanden, in denen sich Ereignisse abspielten, welche auf die Bürger sowie auf die Geschichte der Stadt und darüber hinaus eingewirkt haben. Der Eschenheimer Turm ist der Mittelpunkt all dessen, er ist der große "alte Wächter", ein Wahrzeichen unserer Stadt....

Drohender Verfall

...Anfang der 60er Jahre wurde mit dem U-Bahnbau am Eschenheimer Turm begonnen. Die Ausschachtungsarbeiten für den Bahnhof verliefen lt. den Bauplänen neben dem Eschenheimer Turm, so daß seine Standhaftigkeit nicht unmittelbar gefährdet werden konnte. Eine Frankfurter Zeitung berichtet allerdings am 15.7.64, daß "... bei der Ausschachtung unter der Torfahrt des Eschenheimer Turmes ein sich in Nord-Süd-Richtung ziehender Gang zum Vorschein kam. Er muß zur Zeit der Erbauung angelegt worden sein, vielleicht als sichere Verbindung zu den Kasematten des Walls und der Bastionen." Es konnte nicht weiter verfolgt werden, was mit dem Gang geschehen ist.
Der U-Bahnhof Eschenheimer-Tor-Platz gehört zu den fünf Haltestellen des ersten Bauabschnittes der Frankfurter U-Bahn. Bis zur Fertigstellung und Eröffnung im Jahre 1968 war der weiträumige Platz beginnend am Ende der Schillerstraße/Große Eschenheimer Straße bis hin zum Anfang der Eschersheimer Landstraße/Oederweg, eine riesige Baustelle. Elf Zu-bzw. Abgänge zur B-Ebene und den Bahngleisen mußten geschaffen werden. Aus Kostengründen wurde aber nur eine Treppe als Rolltreppe angelegt. Um die Verbindung der Wallanlagen zu erhalten, war geplant, am nördlichen Ende des Platzes eine Fußgängerbrücke zu bauen. Damit sollte auch der Charakter eines Tores zur Innenstadt betont werden. Aus verschiedenen Gründen wurde die Idee nicht ausgeführt. Im Juli 1968 erhielt der Brunnengestalter Hermann Göpfert den Auftrag, ein Modell für die leicht erhöht liegende Dreieckinsel am Eschenheimer-Tor-Platz zu schaffen. Sein kühner Entwurf, eine flache Schale in Form eines riesigen Tropfens, in dem sich drei rotierende, turbinenartige Gebilde, die Wasserspiele erzeugen, befinden, wurde übernommen und gebaut. Leider ist die gesamte Anlage nur aus der Höhe des Eschenheimer Turmes zu erkennen. So wurde der Brunnen für die Frankfurter zum Ärgernis. Er erhielt viele Namen, zum Beispiel "Macky Messer Brunnen", und die im Sonnenlicht blinkenden Staketen aus Aluminium wurden zu "Hilfischzähnen". Die Wasserspiele funktionierten nur in Abständen. Von Anfang an wurde gegen den Brunnen heftig protestiert, auch wegen der hohen Wartungskosten. Hermann Reitberger, damalig er Inhaber der Apotheke am Eschenheimer Turm, bemühte sich bis zu seinem Tode im Juli 1992 um eine Verlegung des Brunnens. Bereits nach Fertigstellung startete er eine Unterschriftenaktion, wobei ca. 2.000 Bürger ihren Unmut gegen die Brunnenanlage bestätigten. Er machte viele Eingaben bei der Stadtverwaltung, aber festgemauert steht der von vielen Frankfurtern ungeliebte Brunnen. Die "Haifischzähne" müssen immer wieder mit großem finanziellen Aufivand geputzt werden, die letzte Renovierung erfolgte im Frühjahr 1999.


zur Bildersammlung "Eschenheimer Turm" oder zur DIA-Show (ab 1024*768 Bildpunkte + F11-Taste im Internet Explorer)

Zurück zur Textübersicht