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Aus : „Die angenehme Lage der Stadt Frankfurt am Main" vom Historischen Museum Frankfurt, 1954

Von der Lage und Gegend dieser Stadt

...Im Mittelalter und bis in die Neuzeit lagen die Städte als geschlossene Körper in der Landschaft, sie waren ein Bestandteil dieser Landschaft. Erst in den letzten 75 Jahren überschwemmten die Großstädte, planlos nach allen Richtungen vorstoßend, das Vorfeld. Es entstand eine „Stadtlandschaft“, die oft an Häßlichkeit nicht überboten werden kann. Nur selten kann man noch ahnen, welch idyllische Spazierwege, welch schöne Ruheplätze und welche freien Feldflächen unter den Mietskasernenvierteln begraben wurden.

Das 20. Jahrhundert besann sich wieder der großen Verantwortung des Bauens und erst die Stadtplaner der Gegenwart bringen die Wohnsiedlungen wieder in eine vorbildliche Verbindung zur Landschaft.

Der Schatz Zeichnungen von der Hand des Johann Kaspar Zehender überliefert uns den Blick auf ein Frankfurt, wie es für uns heute beinahe unvorstellbar ist: Organisch liegt die Stadt in der Landschaft. Der Mensch zeigt sich uns noch vielfach mit dem Boden der Heimat verbunden. Er bearbeitet die Felder und Gärten um die Stadt, er pflegt die Weinberge und baut das Gemüse für seinen Eigenbedarf...

...Das dieser Stadt zugehörige Gebiet erstreckt sich nicht weit. Man zählt ungefähr 12 Dorfschaften, darunter sind die zwei vornehmsten Bornheim und Oberrad; diese liegen nur eine Viertel Meile von der Stadt, und sind wegen ihres lustreichen Lagers die Ergötzlichkeit des gemeinen Volkes, als welches vornehmlich an denen Sonn- und Feststagen haufenweis dahin eilt und das Geld, das ihnen beschwerlich ist, den Wirten und Spielleuten aufzuheben gibt. Ohne die Höfe, Lusthäuser und Gärten zu rechnen, womit die Stadt auf allen Seiten umgeben ist, und deren die Eigentümer sowohl als andere, so frische Luft schöpfen wollen, sich mit besonderem Vergnügen bedienen. Vier Warten oder Türme bedecken auf allen Seiten die Hauptwege nach der Stadt, welche mit Landwehren durchgängig wohl versehen sind.

Das Feld daherum verdient ein recht gelobtes Land genannt zu werden, indem man daselbst fast unzählige Wein-, Pflanz- und andere fruchtbare Gärten entdeckt, in welchen große und kleine Bäume nebst vielen lustigen Gartenhäusern von verschiedener Größe und dazwischen bis in die weite Ferne so viele Pflanzgegenden angetroffen werden, daß man den Überfluß der besten Zugemüse in die benachbarten Städte Mainz, Hanau und andere Orte in großer Menge abführt...

...Wie es um 1830 noch vor den Toren der Stadt aussah, erzählt uns C. Th. Reiffenstein in seinen „Jugenderinnerungen“. Das Frankfurt der Goethezeit lebte noch unverändert: „Die der Holzhausischen und Stalburgischen Ode zunächst gelegenen Eschersheimer Wiesen hatten bis zur Anlegung des neuen Friedhofes um das Jahr 1829 einen durchaus einsamen und abgeschlossenen Charakter. Es waren weite saftige Rasenflächen, welche in allerüppigstem Grüne prangten und durch ihre unmittelbare Angrenzung an die zunächst der Stadt gelegenen Gärten wundervolle nahe Spaziergänge und Erholungsplätze darboten. Die Eschersheimer Landstraße, welche diese nach der Westseite hin begrenzten, hatte damals kaum noch ein Haus aufzuweisen, sondern war durch lauter Gartenwände und lebendige Zäune begrenzt.

Da, wo sich der Grüneburgweg von derselben abbiegt, begannen dunkle dichtstehende, schlanke und himmelhohe Rüstern die Straße einzuschließen, so daß sie das Aussehen einer ganz engen und schattigen finsteren Allee erhielten, wie die in unseren Tagen noch teilweise erhaltene und nun leider auch dem Untergang geweihte sogenannte Seufzerallee zeigt, welche auf dem Öderweg rechts nach der Stalburger Öde führt. Überhaupt war das ein Hauptcharakter aller dieser Plätze, daß sie von hohen Rüstern eingeschlossen waren, was der ganzen Umgebung einen eigentümlich ernsten Ausdruck verlieh und in dem Bild unserer Stadt, namentlich von dem Sachsenhäuser Berg aus gesehen, eine höchst wichtige Rolle spielte. Dazu kam noch eine prachtvolle Lindengruppe dicht hinter der Holzhausischen Öde, die in ihrem Dunkel einen frischen, mit einem steinernen Kranz eingefaßten Brunnen verbarg, der leider später ganz mit Erde überschüttet wurde, so daß seine Spur nicht mehr zu entdecken ist. Ebenso einsam und still lag auch der etwas weiter entfernte Kühornshof und bildete mit seinen ihn umschließenden Wassergräben eines der reizendsten Bilder, die mir je vorgekommen sind...

Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war also Frankfurt noch eingebettet in seine „Naturlandschaft". Von weither sah man den Domturm als Wahrzeichen der Stadt aufsteigen. Wer der Stadt sich näherte, kam dann durch ein Vorfeld mit großen Gutshöfen und Gärten. Dann kam er an den sorgsam gepflegten Grünstreifen, der die Stelle der geschleiften Festungsanlagen einnahm. Erst dann betrat man die noch geschlossen in sich ruhende Stadt.

Von den Höfen um die Stadt

Neben den Gartenhäusern lagen im 18. Jahrhundert am Außenrande der Gemarkung zahlreiche Gutshöfe. Viele dieser Höfe um Frankfurt hatten ein hohes Alter. Sie gehörten den alten Frankfurter Geschlechtern und erfüllten eine wichtige Funktion. Die Stadt Frankfurt war in ihren Mauern von „Städtern" bewohnt, in der Stadt saßen Handwerker, Handelsleute, Beamte und andere Vertreter rein städtischer Berufe. Lediglich der Stadtteil Sachsenhausen hatte eine teilweise bäuerliche Bevölkerung, die den „Garten der Stadt", den Sachsenhäuser Berg, bewirtschaftete. Die Gutshöfe um die Stadt hatten die Aufgabe, das weite Gebiet der Stadtgemarkung landwirtschaftlich zu nutzen. Da sie außerhalb der Mauern lagen, hatten sie im Mittelalter oft den Charakter einer Burg; sie waren manchmal mit Wassergräben umgeben und mit Zugbrücken versehen. Die alten Frankfurter Adelshöfe zählt uns Johann Bernhard Müller auf: „Nicht weniger sieht man um unsere Stadt die annehmlichsten Meier-Höfe und Land-Güter, welche teils der Stadt, teils den Patriciis oder anderen Personen zustehen. Die ansehnlichsten unter denen, so den Frankfurtischen adeligen Geschlechtern zugehören, sind die beiden Ketten-Höfe, der Rulandshof, die beiden Holzhausischen Höfe, der Stalburgische Hof, der Glauburgische Hof, der Kühorns-Hof, welche meistens sehr einträgliche Höfe sind und allesamt ihre eigenen Ländereien haben.

Unter denen andern sind vornehmlich der Gutleute-Hof, welcher der Stadt zugehöret und seine eigene Kirche hat, der Heller-Hof und der Rebstock, welche eine Viertelstunde vor dem Gallen- und Bockenheimer Tor gelegen; der Rieder-Hof vor dem Allerheiligenthor. Auf der Sachsenhäuser Seite liegen der Riedhof, Sandhof, Goldstein, der Schaafhof, der Seehof, der Wildhof, die Deutschherren-Mühle, die Ziegelhütte und andere mehr."

Um die Mitte des 18. Jahrhunderts strebten die reichgewordenen Familien danach, ein „Hofgut" in der Nähe der Stadt zu besitzen. Im Affensteiner Feld, westlich der Eschersheimer Landstraße, hatte schon im Jahre 1710 der Bierbrauer Pettmann einen Glauburgischen Hof gekauft, der am Ende des Jahrhunderts in den Besitz von Bethmann-Metzler überging. Im Jahre 1790 hieß der Hof „Bethmanns Gut". In der Nähe der alten Holzhausen-Öde, die mit dem im Jahre 1727 erbauten neuen Herrenhaus die schönste Besitzung um Frankfurt war, lag der „Adlerflycht-Hof", den sich im Jahre 1763 der Schöff von Adlerflycht einrichtete. Dieses „Hofgut" reichte bis zum „Meermanns-Hof" an der Eckenheimer Landstraße, den sich der Handelsmann Meermann anlegte. Bei der Friedberger Landstraße hatte Isaac de Bassompiere ein Hofgut. In der Bornheimer „Terminei" lag die alte Bornburg, die nach ihrem neuen Besitzer, dem Gastwirt Günther vom „Rothen Haus" auf der Zeil, nun „Günthersburg" genannt wurde. Die Familien Passavant und von Heyden besaßen Höfe an der Pfingstweide.

Die meisten dieser „Hofgüter" verschwanden im Laufe des 19. Jahrhunderts. Heute erinnern nur noch die Straßennamen oder andere Ortsbezeichnungen an ihre ehemalige Lage. Von den alten Höfen haben sieh im modernen Stadtbild nur noch ein paar erhalten, von denen die Riederhöfe, der Riedhof, der Schönhof, die Holzhausen Öde, der Sandhof und der Kühhornshof genannt werden sollen.

Das Buch „Die Baudenkmäler in Frankfurt", bearbeitet von Rudolf Jung und Julius Hülsen, Frankfurt 1914, führt in seinem dritten Band die alten Höfe in der Gemarkung und die Adelshöfe in der Stadt auf. Es wird hier eine ausführliche Baubeschreibung der Hofanlagen gegeben; die Archivalien, die über die Höfe etwas aussagen, sind alle verwertet.

Das Eschenheimer Tor von Norden

Das Eschenheimer Tor liegt im Norden der Stadt. Wir schauen auf die charakteristische Silhouette des Turmes genau von Norden und sehen so den Domturm dicht links neben dem Tor im Hintergrund. Das hohe Dach der Katharinenkirche an der Hauptwache bildet mit dem vor die Breitseite der Kirche gestellten Turm den rechten Bildabschluß.

Vor uns führt ein Weg in die Tiefe des Bildes. Dieser Weg wurde später zur Eschersheimer Landstraße. Auch der Oeder Weg geht vom Eschenheimer Tor aus. Er machte, wie heute noch, vor dem Tor einen Knick und führte dann an der Holzhausen Öde vorbei zum Bertramshof und weiter nach Eschersheim.

Vor dem Eschenheimer Tor sind kleine Gartenhäuser. Es fehlte hier eine geschlossene Gartenkolonie, wie am Main oder vor dem Bockenheimer Tor. Die Gartenhäuser waren meist kleine Holzhäuser, wie wir an dem Haus rechts im Bilde sehen. Sie trugen ein Zeltdach und standen inmitten gepflegter kleiner Gärten. Rechts sehen wir eine Gartenanlage mit pyramidenförmig gestutzten Bäumen. Im Garten steht eine Gartenlaube mit einem geschwungenen durchbrochenen Dach.

Vor dem Torturm sehen wir das breite Walltor aus dem 17. Jahrhundert, das dem tunnelartigen Durchgang durch den Wall vorgelagert war. Rechts und links von diesem Tor schaut der hohe Wall durch die Bäume der Gärten. Das Walltor vor dem mittelalterlichen Torturm wurde nach der Niederlegung der Festungswälle nach dem Entwurf des Stadtbaumeisters Fr. Chr. Heß im Jahre 1807 zum Tor- und Wachthaus umgebaut und mit einem goldenen „C" und einem Fürstenhut geschmückt. Nach der fürst-primatischen Zeit verschwand diese Verzierung wieder und mit ihr der Name „Carlsthor", den das Gebäude zu Ehren des Fürstprimas Carl Th. von Dalberg erhalten hatte. Das Walltor wurde 1864 abgerissen. Vor dem Walltor sehen wir hinter dem aufgezogenen Schlagbaum vor dem Graben, ein kleines Wachhaus.

Der Eschenheimer Turm, der die Mitte des Bildes beherrscht, gehört als Festungs- und Torturm zur Mauerbefestigung des 14. Jahrhunderts, die sich dicht hinter dem Wall bis zur Schleifung der Befestigungsanlagen erhalten hatte. Unter den Türmen dieser Mauer erhob sich dieser Turm wie ein Riese unter Zwergen. In seinen einfachen gotischen Formen und ausgezeichneten Proportionen verkörperte er in großartiger Weise den Gedanken des mittelalterlichen Torturmes. Der Schöpfer dieses Turmes hat es verstanden, die rein praktischen Bedürfnisse einer Verteidigungsanlage mit einer guten künstlerischen Konzeption zu verbinden. Im Frühjahr 1400 brach ein Meister Mengoz einen alten „runden" Turm ab. Ende Juni wurde der erste Stein zum Fundament des neuen Torturmes gelegt. Der Neubau gedieh nicht über den quadratischen Unterbau hinaus. Im Frühjahr 1426 bis 1428 führte der geniale Dom- und Stadtbaumeister Madern Gertener den Oberbau bis zur Spitze aus und gab dem Turm damit seine Gestalt. Der hohe Turm erregte schon in der ersten Zeit seiner Entstehung Bewunderung. 1439 entsandte zum Beispiel der Herr von Eppstein seinen Baumeister zur Besichtigung des Turmes nach Frankfurt und in der Umgebung der Stadt finden wir mehrere Türme in Anlehnung an das Muster in Frankfurt ausgebaut. Die schönsten Beispiele dieser „Kopien" sind die Bekrönung des Adolfsturmes in der Burg Friedberg und der Bergfried in der Burg Steinheim bei Hanau. Der Eschenheimer Torturm hat sich bis heute als einziger Zeuge der großen Mauerbefestigung um die Stadterweiterung des 14. Jahrhunderts erhalten.

Bezeichnet Mitte unten: Zehender. fecit. 1772. Das Bild ist auf altem Papier aufgesetzt mit der Unterschrift: Prospect gegen das Eschenheimer Thor zu Franckfurt am Mayn.

Breite 27,5 cm, Höhe 19,7 cm. Graue Pinselzeichnung.

Vor dem Eschenheimer Tor

Wir haben das Walltor verlassen und die Brücke über den Graben überschritten. Rechts im Vordergrund schiebt sich das „Eschenheimer Bollwerk" ins Bild. Es war dies die Bastion, die das Tor zusammen mit dem „Bauern-Bollwerk" links vor dem Tore sicherte. Vor dem Wall sehen wir den Graben, auch die Außenwand war mit einer Quadermauer verblendet. Wir blicken von Süden in den Garten links vor dem Tor, den wir auf dem vorigen Bild schon kennen lernten. Wir finden das gleiche kleine Gartenhaus mit dem Zeltdach wieder und schauen durch den geschnittenen Heckenbogen in das Innere des Gartens. Die Gartenfläche vor dem Haus ist mit niedrigem Buschwerk bepflanzt.

Ein einachsiger Pferdekarren strebt dem Tore zu. Auf dem Weg, der von links kommend vor dem Graben entlang führt, geht ein Wanderer mit seinem Hunde und eine Frau trägt eine Last auf dem Kopfe. Ein Bauer mit einer Hocke hat schon beinahe die Brücke erreicht. Auf dem von der Landstraße abgetrennten Spazierweg finden wir Spaziergänger. Am Weg vor dem Tor steht eine Steinbank, die die Lasten der zu Fuß in die Stadt wandernden Bauern aufnehmen und den Trägern eine Ruhepause ermöglichen soll. Eine Kutsche hat das Tor verlassen, ein vornehmer Herr unternimmt eine Spazierfahrt „vor die Tore". Dicht hinter ihm reitet ein anderer Herr sein Pferd aus.

Im Mittelgrund des Bildes überragt das Holzhausenschlößchen die Felder, die durch verstreuten Baumbestand belebt sind. Das Schlößchen, von dem wir zwei Geschosse mit dem Mansarddach erkennen können, war an der Stelle eines alten Hofes im Jahre 1727 von Louis Remy de La Fosse auf den gotischen Fundamenten für die Familie Holzhausen erbaut worden. Der französische Architekt hatte kurz vorher, 1725 bis 1726, in der Stadt am Römerberg das Haus Lichtenstein umgebaut. Während das Haus Lichtenstein, das zwischen zwei gotische Brandmauern mit Treppengiebeln eingespannt war, noch ein einfaches Satteldach trug, hat der Architekt das Holzhausenschlößchen mit dem modernen französischen Mansarddach geschmückt. Das Holzhausenschlößchen mit der Klarheit und Sachlichkeit des französischen Barock war vielleicht ein Vorbild für die später erbauten Gartenhäuser um Frankfurt. Wir finden an allen Gartenhäusern die gleiche schlichte Haltung wieder. Dieser französische Geschmack entsprach dem nüchternen Handelsgeist des Frankfurter Bürgertums. Hohe Ulmenbäume begleiten die Alleen, die auf die Holzhausen'sche Besitzung zuführen. Neben dem Wasserschlößchen sehen wir die Dächer der Wirtschaftsgebäude der Holzhausen Ode.

Ganz im Hintergrund steht auf einer kleinen Anhöhe die Friedberger Warte, die als weit vorgeschobener Wachtposten Frankfurt gegen Angriffe von Norden sichern sollte. Sie wurde später als die übrigen Warttürme erbaut.

Die Stadt hatte erst im Jahre 1475 das Reichslehen Bornheim an sich gebracht. So ergab sich das Bedürfnis, den neuen Besitz in den Umkreis der äußeren Verteidigungslinie einzubeziehen. Anfang Mai 1478 wurden die Bürger und fronenden Dorfleute mit Arbeitsdienst oder entsprechender Geldleistung zum Bau der neuen Warte herangezogen, die anfangs Vilbeler- oder Bornheimer Warte genannt wurde. Die Warte wurde nach dem bewährten Schema der übrigen Warttürme aufgebaut, sie erhielt auch den Mauerring um die Wirschaftsgebäude. Rechts im Bilde tauchen die Gartenhäuser vor dem Friedberger Tor auf. Hier waren meist Weingärten mit kleineren Gartenhäuschen.

Bezeichnet links unten: J. C. Zehender. fecit. 1782. Unterschrift mit Bleistift: Aussicht von Frankfurt am Main nach Norden.

Breite 38,5 cm, Höhe 18,5 cm. Graue Pinselzeichnung.

Stadtansicht von der Friedberger Warte

Von erhöhtem Standpunkt bei der Friedberger Warte bietet sich uns eine Ansicht Frankfurts von Norden. Die geschlossene Siedlung ist eingebettet in einen Kranz von Bäumen, die auf den Wällen stehen. Zwischen den Bäumen erkennen wir rechts den gewaltigen Rundturm des Eschenheimer Tores. Nicht weit vom Torturm biegt der Wall nach Süden um und führt in gerader Linie zum Main. Das Bett des Flusses liegt tiefer als die Felder um die Stadt; wir können ihn deshalb nicht sehen. Der Turm der Katharinenkirche ist der einzige höhere Kirchturm, der neben dem Domturm die Schieferdächer überragt.

Wir sind gewohnt, ein mittelalterliches Stadtbild als Aneinanderreihung von Kirchtürmen vor uns zu sehen. Ein Wanderer des 18. Jahrhunderts suchte auf dem Weg nach Frankfurt vergebens die Vielzahl der Kirchtürme, die ihm wie bei allen anderen Städten von weit her den Weg gewiesen hätten. Neben dem Domturm gab es keinen hohen Kirchturm. Die Spitze des Turmes der Nikolaikircbe überragte kaum die Nachbarhäuser, die kleinen Türme der Leonhardskirche verschwanden neben dem hohen Dach des Hallenbaues. Die Kirchen der Klöster und die Kapellen der Ordensniederlassungen und Pflegehöfe bekrönten nur kleine Dachreiter. Erst seit dem Ende des 17. Jahrhunderts bekam die Stadt in dem Turm der Katharinenkirche ein neues Wahrzeichen. Hinter dem Wall sehen wir noch die alten Mauertürme aus dem 14. Jahrhundert aufragen. Von Sachsenhausen grüßt uns links vom Dom der Dachreiter über der Fassade der Deutschordenskirche. Der Domturm hebt sich über die umliegenden Hausdächer empor. Das hohe Dach des Schiffes und des nördlichen Querhauses setzt erst über den Hausdächern der Umgebung an.

Das Gebiet um die Stadt, die „Feldgüter, wozu Höfe, Landhäuser, Gärten, Wiesen, Baumstücke, Weinberge, Gemüseländer etc. und auch mehrere Bleichen gehören", war in die Sachsenhäuser und die Frankfurter Gemarkung eingeteilt. Die beiden Gemarkungen waren in Gewanne aufgegliedert, „das heißt in gewisse Distrikte, die durch Landstraßen, Hauptwege und Gräben sich scheiden und dadurch begrenzt werden". Die in den Gewannen liegenden Feldgüter waren numeriert und in den Flur- und Lagerbüchern verzeichnet. Diese Flur- und Lagerbücher waren vom 14. Jahrhundert bis 1819 „auf dem Ackergericht" (1945 im Stadtarchiv verbrannt). Das Gewann IV lag „zwischen dem Bornheimer Sandweg links und der Friedberger Chaussee rechts. Von der Glacis zwischen dem Allerheiligen-und Friedberger Tor bis an die Bornheimer Heide und Grenze". Wir schauen links vom Fahrweg in dieses Gewann. Aus den Bäumen lugt ein kleines Schieferdach, es gehört zur Günthersburg. Innerhalb des Gewannes gab es manche seltsame Ortsbezeichnungen: „Am Hermes", „Im Fraßkeller", „Im bösen Lips".

Das Gewann V schloß sich an die „Friedberger Chaussee" nach Westen an. Hier gab es auch besondere Ortsbenennungen, wie etwa „Im Zeisel", „An der Eisernen Hand" u. a.

Diese Namen haben meist eine Bedeutung, die auf bestimmte Örtlichkeiten oder Ereignisse Bezug nimmt.

Wir sehen vor dem Eschenheimer Tor die Gartenhäuser zu beiden Seiten des Oeder Weges, und der Eschersheimer Landstraße. Ganz rechts am Bildrande taucht in der Ferne der Galgen auf dem Galgenfeld auf und gibt der Silhouette der Stadt einen bedeutungsvollen Abschluß.

Bezeichnet links unten: Zehender. fecit. 1772. Unterschrift:Prospect der Stadt Franck furt am Mayn gegen Mittag, .bey der Friedberger Warte abgezeignet.

Breite 68,4 cm, Höhe 28,3 cm. Aquarell. Dunkles Grün, hellbraune Felder, blaue Schief erdächer.

Gartenhäuser vor dem Friedberger Tor

Vom Wall neben dem Friedberger Tor schauen wir nach Norden. Wir sehen am linken Bildrand die schweren Quadersteine der Torbekrönung über dem Walltor. An dem kleinen Wachthaus rechts vor dem Tore sitzt ein Soldat und raucht seine lange Tonpfeife; ein Eselskarren passiert gerade die Einfahrt; das Dach des linken Wachthauses beschließt das Bild. Vor seinem Schilderhaus steht ein Wachsoldat neben seinem Gewehr. Der Schlagbaum ist hochgezogen.

Wir blicken geradeaus auf ein zweigeschossiges Gartenhaus hinter einer mit einem schmiedeeisernen Torgitter verschlossenen großen Einfahrt. Vor dem als Mansarddach ausgebildeten Dach des Gartenhauses sitzt ein einfacher Dreiecksgiebel mit einem Oculus. Es ist möglich, daß die Hauswände aus Fachwerk bestehen und mit übereinander angebrachten Brettern verkleidet sind.

Der Fahrweg, die spätere Friedberger Landstraße, biegt vor diesem Gartenhaus rechts ab und nimmt nach einem erneuten Knick die Richtung nach Norden auf. Eine Kutsche und ein Reiter sind auf dem Weg. Die Friedberger Landstraße führt erst durch Gärten mit Gartenhäusern und später über freies Feld zur Friedberger Warte, die wir am Horizont als charakteristisches Wahrzeichen auftauchen sehen.

Vor dem Walle steht neben dem Fahrweg zur Friedberger Warte ein stattliches zweigeschossiges Gartenhaus. Das Gartengrundstück zieht sich am Wall entlang nach Osten. Im Garten sehen wir Gartenarbeiter. Dieses feste Gartenhaus mit den vielen Dachgauben wurde im Jahre 1784 von dem Bankier Joh. Philipp Bethmann zu einem großen Landhaus umgebaut. Joh. Philipp Bethmann hatte das Gartengrundstück im Jahre vorher erworben. Beim Umbau wurde das alte Gartenhaus als Mittelstück in seinen Maßen beibehalten und durch zwei zurückgesetzte und zum Garten hufeisenförmig weitergeführte Seitenflügel erweitert. Das Mittelstück erhielt ein Zwerchhaus mit einem Dreiecksgiebel.

Rechts hinter dem Haus führt ein Fußweg über die „Bornheimer Heide" zum Dorf Bornheim, das am rechten Bildrand sichtbar ist. Die barocke Kirche des heutigen Frankfurter Vorortes ist nach einem Brande im Jahre 1776 von Johann Andreas Liebhardt 1778-1781 wieder aufgebaut worden. Der hohe, schlanke Westturm zeigt über einem zurückgesetzten Obergeschoß eine kleine, stark gebauchte Zwiebelhaube.

Zwischen dem späteren Bethmann'schen Gartenhaus in der Mitte des Bildes und der Bornheimer Kirche hebt sich ein vielachsiger Bau mit einfachem Walmdach heraus. Es ist die Günthersburg, die ihren Namen nach ihrem Besitzer, dem Gastwirt Günther im „Rothen Haus" auf der Zeil, erst im 18. Jahrhundert erhielt. Das Hofgut vor den Toren der Stadt hieß vorher „die Bornburg".

Wie viele Bürger vor den Toren der Stadt ein Ackerstück oder einen Garten besaßen, so hatte auch Rat Goethe dort einen Garten und zwei Baumstücke. Der Garten lag vor dem Friedberger Tor. Ein Baumstück, 13 Morgen groß, lag am „Affenstein", neben der späteren Grüneburg, an der Stelle des heutigen Verwaltungsgebäudes der I. G. Farben. Der junge Johann Wolfgang Goethe hat gern in diesen Gärten geweilt. Er hat Ostereier im Garten gesucht, wie die Mutter später erzählte. In „Dichtung und Wahrheit" schreibt er: „Wir lernten nun auch mit den Gartengeschäften umgehen, die, weil sie sich jährlich wiederholten, uns endlich ganz bekannt und geläufig wurden . . .„ Der frühen Gartenarbeit verdankte Goethe in seinem späteren Schaffen viel. Er spricht viel von dem erziehenden Einfluß der Natur und fordert in der „Pädagogischen Provinz" des „Wilhelm Meister", daß zuerst die Landwirtschaft erlernt werden müsse.

Bezeichnet rechts unten: J. C. Zehender fecit. Unterschrift mit Bleistift: Friedbergerthor zu Frankfurt am Main.

Breite 34,1 cm, Höhe 19,1 cm. Graue Pinselzeichnung, um 1782.

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